Erfolgreiches Treffen des FK Rückversicherung in München
von Jonas Warnke (17) und Jens Ziser (K/D2)
Am 11. März 2025 fand das jährliche Treffen des Fachkreis Rückversicherung bei der Versicherungskammer Bayern in München statt. Mit über 60 Teilnehmern aus dem deutschsprachigen Raum, darunter Zedenten, Erst- und Rückversicherungsmakler, Berater und Rückversicherer, war die Veranstaltung ein voller Erfolg.
Fokusthema: Zukunft der Haftpflichtversicherung
Das diesjährige Treffen widmete sich den Herausforderungen und Chancen in der Haftpflichtversicherung. Hochkarätige Experten boten tiefgehende Einblicke in aktuelle Marktentwicklungen:
Johannes Bender
Johannes Bender (S&P Global Rating) gab eine Einschätzung zu den makroökonomischen Entwicklungen in Deutschland und der Industrie. Er prognostizierte eine Inflation um die 2 % bis 2027, einen robusten Arbeitsmarkt und ein leicht sinkendes Zinsniveau. Die Handelskonflikte zwischen den USA, China, Kanada und Mexiko könnten allerdings negative Auswirkungen haben. Zölle, wie sie von den Amerikanern verhängt werden, würden allen nur Schaden. Inwieweit sich das Schuldenpaket der neuen Regierung auswirkt, bleibt abzuwarten. Für die Rückversicherungsbranche ergeben sich dadurch sowohl Chancen als auch Herausforderungen, insbesondere durch steigende Kapazitäten und Nachreservierungsbedarf.
Der Rückversicherungsmarkt war und ist aus Sicht von S&P Global in den Jahren 2023 bis 2025 sehr ertragreich gewesen, auch wenn es teilweise zu erheblichen Nachreservierungen für die US-Haftpflicht gekommen ist. Eine Quelle von der Swiss Re prognostiziert, dass die Schäden für die US-Haftpflicht pro Jahr um 10 % ansteigen. Das positive Momentum der Rückversicherungsbranche zeigt sich an zwei Faktoren: Zum einen hat sich das Verhältnis von Kapitalkosten zu Eigenkapitalkosten geändert (2017–2022 waren die CoC über den Ek-Cost), und zum anderen gab es in 2023 eine Verschiebung der Kat-Schäden von den Rückversicherern hin zu den Erstversicherern.
In der Erneuerung 2025 sei der Peak erreicht worden. Die Preise tendieren leicht nach unten. Die T&Cs waren weitestgehend unverändert. Die LA Wildfires haben einige Kat-Budgets bereits zu einem großen Teil aufgezehrt. Möglicherweise könnte es zu Anpassungen der Gewinnziele kommen.
Joerg Linnert
Joerg Linnert (DEAS/Ecclesia) beleuchtete Trends und Herausforderungen in der US-Haftpflichtversicherung. Er erklärte, dass die Auto-Liability-Verträge zum einen einen bei der Rechtsfrage nach der Haftung absolut fraglich sind, und dass zum anderen sehr geringe Prioritäten und Haftstrecken abgesichert sind. Dadurch laufen die Schäden besonders schnell in die Umbrella-Cover rein. Dies führt wiederum dazu, dass auch die anderen Haftpflicht-Cover beeinflusst werden.
Anhand von Schadenbeispielen zeigte er, dass die Non-Economic Claims-Costs extrem hoch sind und teilweise über 90% der Schadensumme ausmachen. Durch die immer weiter ansteigenden Schadenkosten ist der Begriff von Nuclear Verdicts nicht mehr ausreichend und Schäden mit einer Summe größer als 100 Millionen Euro werden nun als Thermonuclear Verdics deklariert.
Besonders bemerkenswert: Die US Casualty-Schäden beliefen sich 2023 auf 143 Mrd. USD und waren damit höher als die globalen NatKat-Schäden (108 Mrd. USD). Zudem steigt die Anzahl der Klimaklagen rapide, und PFAS sowie Mikroplastik werden als potenzielle „Asbest-Nachfolger“ gesehen. Auch auf der regulatorischen Seite gibt es weitere Herausforderungen. Beispielhaft sind hier die Amazon-Klausel zur Erweiterung der Produkthaftung oder die neuen EU-Richtlinien zu nennen, die zu neuen und vermehrten Haftungen führen könnten und wahrscheinlich auch werden.
Ralf Roesch
Ralf Roesch (SCOR) diskutierte systemische Risiken durch PFAS, Phthalate und Mikroplastik. Während Umwelthaftungen für Verunreinigungen von Böden bereits ein großes Thema sind, ist die Entscheidung des schwedischen Obersten Gerichtshofs, Wasser als Produkt im Sinne des Produkthaftungsgesetzes einzustufen, besonders brisant. Das interessante daran ist, dass die Kläger bisher keinen Schaden davongetragen haben, sondern nur erhöhte Körperwerte für PFAS aufweisen. Dies könnte weitreichende Konsequenzen für Haftpflichtversicherungen haben. Er führte auch aus, dass die Zahl der verschiedenen Verbindungen auf ca. 10.000 geschätzt wird, von denen zwei bisher relativ gut erforscht worden sind, und mit Gen-X-Chemikalien könnte sich bereits ein Nachfolger ankündigen. Mit Phthalaten und Mikroplastik als weitere Themen für die Haftpflichtversicherung stellt sich die Frage, ob diese Art von systemischen Risiken überhaupt versicherbar ist oder ob ein allgemeiner Ausschluss von Nöten ist.
Indra Clarke
Indra Clarke (VKB) gab einen Einblick in das Segment Heilwesen- & Hebammenversicherung. Der Markt an Teilnehmern ist sehr überschaubar. Gerade einmal sechs Gesellschaften (inklusive der VKB) bieten neben der Gruppenversicherung des DHV eine Absicherung an. Wenn man dann noch die Geburtshilfe mit absichern möchte, verringert sich die Anzahl auf drei Gesellschaften. Es gibt immer wieder neue Versicherer, die mit neuen Modellen (SIR, Jahresselbstbehalt, Claims-Made oder Occurrence-Trigger) in den Markt kommen. Man merke allerdings auch, dass diese so schnell wie sie gekommen sind, wieder verschwinden.
Für die Krankenhäuser sind Einsparmodelle sehr interessant, da die Budgets für Versicherung sehr gering sind. Obwohl Geburtsschäden selten sind, handelt es sich dabei oft um große Personenschäden mit langfristigen finanziellen Auswirkungen. Im DHV-Gruppenvertrag gibt es im Schnitt 30 Personenschäden pro Jahr. Die aktuellen Rückstellungen seit 2010 stehen dafür bei ca. 145 Mio. Euro. Interessant zu wissen: Der Versicherungsbeitrag pro Jahr für eine Hebamme (mit Geburtshilfe) lag 2023 im Schnitt bei 12.660 € für die Berufshaftpflichtversicherung.
Axel Flöring
Axel Flöring (Guy Carpenter) beleuchtete die aktuellen Entwicklungen im Rückversicherungsmarkt. Ein globales Kapazitätsüberangebot von 5 –15 % hat zu einem Rückgang der Preise geführt, insbesondere im Retro-Markt (-10 % bis -17,5 % für nicht schadenbetroffene Platzierungen). Die globalen Kat- Zahlungen der Rückversicherer sind von ca. 20 % auf 14 % gesunken, was zu erhöhten Belastungen für die Erstvesicherer geführt hat. Die Branche steht weiterhin vor Herausforderungen durch Social-Inflation, Massenklagen und steigende Zinsen. Für die Los Angeles Wildfires rechnet Guy Carpenter mit einer Rückversicherungsbelastung von ca. 20 Mrd. Euro.
Enrico Lerza
Enrico Lerza (C.Consulting) präsentierte eine innovative IT-Lösung für die Branche und stellte die X-Layer-Technologie vor, die eine effizientere Verwaltung von Versicherungsprozessen ermöglicht.
Den Abschluss bildete eine hochkarätige Panel-Diskussion unter der Moderation von Jens Ziser (VVB) mit Indra Clarke, Joerg Linnert, Anne-Katherin Schirlitz (Gallagher Re) und Ralf Roesch. Diskutiert wurden zukünftige Geschäftspotenziale trotz geopolitischer Unsicherheiten. Man war sich einig, dass es ein großes Spannungsfeld mit vielen aktuellen Themen und Herausforderungen gibt. Überkapazität war in der letzten Erneuerungsrunde vorhanden, jedoch eher ausgewählt als in jedem Markt und jeder Sparte. Ein Wandel des deutschen Rechtssystems nach amerikanischem Vorbild mit Klagefreudigkeit und Prozessfinanzierung wurde als Emerging Risk bezeichnet. Für die Zukunft und mit dem Blick nach vorne werden China und Indien als Wachstumsmärkte angesehen. Für weitere Kapazitäten könnten Casualty-Cat-Bonds ins Leben gerufen werden.
Ein besonderer Dank gilt der Versicherungskammer Bayern, insbesondere Ulrich Mueller & Fabian Mattejat, für die hervorragende Gastfreundschaft und Unterstützung. Vielen Dank an alle Referenten und Teilnehmer für den wertvollen Austausch!
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